Nicht invasive Abklärung neurovaskulärer Prozesse

Vaskuläre Abklärungen des Gehirns und Rückenmarks, des Felsenbeins, Mittelgesichts und Halses und der Nebenhöhlen sind heute nahezu ausnahmslos mit nicht invasiven Methoden (MRI und MR-Angiographie sowie CT-Angiographie) möglich. Die herkömmliche digitale Subtraktionsangiographie (DSA) ist als invasives Verfahren aus diagnostischen Gründen nur noch selten indiziert. Das MR hat wegen hoher Sensitivität die Führungsrolle zur Untersuchung der genannten Regionen übernommen. So sind mittels „diffusionsgewichteter Sequenzen“ Ischämien bereits innerhalb von 2-4 Stunden nachweisbar.

Differentialdiagnose

Zerebrovaskuläre Erkrankungen können durch eine Vielzahl unspezifischer Symptomewie Kopfschmerzen und Schwindel aber auch durch ophthalmologische (Amaurosis fugax) und fokal neurologische Symptome (Hemisyndrom, Sprachstörungen) in Erscheinung treten. Eine frühzeitige Diagnosestellung ist erforderlich, um einen drohenden oder bereits eingetretenen Gefässverschluss zu erkennen und eine adäquate Therapie einzuleiten. Die differentialdiagnostische Abgrenzung eines Schlaganfalls gegenüber einer Entzündung, demyelinisierenden Erkrankung oder der apoplektiformen Manifestation eines Tumors hat erhebliche Bedeutung. Bei Patienten unter 60 Jahren ist eine Gefässdissektion, d.h Einblutung in die Gefässwand eine oftmals nur mittels MRI erkennbare Ursache einer Gefässstenose oder eines Verschlusses. Eine intrazerebrale Blutung oder Subarachnoidalblutung liegt 15 % aller „Schlaganfälle” zu Grunde.

Venöse Durchblutungsstörungen als Folge einer kortikalen Venen- oder Sinusvenenthrombose zeigen oftmals einen unspezifischen Beginn mit Kopfschmerzen. Wird die Thrombosierung nicht rechtzeitig erkannt führt sie zum venösen Infarkt und zu einer vitalen Bedrohung für den Patienten. Chronische und rezidivierende Kopfschmerzen und/oder ein pulssynchroner Tinnitus können ein Aushängeschild einer arterio-venösen Fistel (AVF) sein. Eine spinale AV-Fistel (Rückenmark) äussert sich durch eine langsam progrediente Gangverschlechterung.
Für das Auftreten einer Trigeminusneuralgie und eines Hemispasmus facialis machen neuere Untersuchungen einen neurovaskulären „Konflikt” durch Gefässkompression an der Wurzeleintrittszone des N. trigeminus und facialis verantwortlich.

MR-Angiographie

Als Ergänzung zur morphologischen MR-Untersuchung ist die MR-Angiographie eine nicht invasive und kostengünstige Methode zur Darstellung von

  • hämodynamisch relevanten Stenosen, Verschlüssen, Kollateralen
  • arteriovenösen Malformationen und Fisteln
  • Vaskularisation von Kopf- und Halstumoren
  • Verlauf nach operativer/interventioneller Gefässtherapie

CT-Angiographie

Die CT ist die Methode der Wahl zur Darstellung einer intrakraniellen Blutung und der Knochenstrukturen im Bereich des Schädel und Spinalkanals. Die CT-Angiographie hat den spezifischen Vorteil der Darstellung von

  • Lokalisation, Ausdehnung und Stenosierungsgrad verkalkter Gefässplaques (analog zur CT-Angiogaphie der Koronargefässe)
  • hämodynamisch relevanten Stenosen, Verschlüssen, Kollateralen

Indikationen

Die nachfolgende Zusammenstellung vermittelt einen Ueberblick über die Indikationen nichtinvasiver neurovaskulärer Abklärungen:


1. Früherkennung und Vermeidung drohender Schlaganfälle durch Erkennen einer vaskulären Läsion (Gefässstenose, -verschluss, -dissektion) als Ursache.

  • Amaurosis fugax: einseitige kurzdauernde Visusminderung oder Visusverlust
  • TIA (transitorisch ischämische Attacke): Hemisyndrom ± Sprachstörung Rückbildung <24 Stunden
  • (prolonged reversible ischemic neurologic deficit): fokale neurologische Ausfälle Rückbildung <7 Tage
  • vertebro-basiläre Insuffizienz: Schwindelepisoden ± „drop attacks”
  • Hirnnervenlähmung: Hypoglossusparese und Horner-Syndrom z.B. bei Carotisdissektion

2. Abklärung zerebraler oder spinaler Symptome (neu oder progredient) vaskulärer Ursache (Sinusvenenthrombose, arterio-venöse Malformation, Kavernom) bei

  • Krampfanfall
  • Kopfschmerzen durch Hirndrucksteigerung oder Blutung
  • Myelopathie mit zunehmender Gangstörung

3. Darstellung/Ausschluss eines neurovaskulären „Konfliktes” bei

  • Trigeminusneuralgie
  • Cranio-facialen/oro-facialen Schmerzsyndromen
  • Hemispasmus facialis

4. Abklärung der Ursache eines puls-synchronen Tinnitus (Ohrgeräusch) bei

  • Durale arteriovenöse Fistel
  • Gefässaberration in Bezug zum Felsenbein
  • Gefässdissektion/Stenose
  • Temporales Paragangliom

5. Nichtinvasiver Nachweis/Ausschluss eines potentiellen Aneurysmas als Ursache für eine

  • Hirnnervenparese (III, VI mit Doppelbildern)
  • Subarachnoidalblutung
  • bei Risikopatienten mit asymptomatischem Aneurysma (polyzystische Nieren, positive Familienanamnese)

6. Nichtinvasive Kontrolle nach Therapie vaskulärer Läsionen

  • Karotis-Endarterektomie
  • Stent-assistierte Ballon-Angioplastie
  • Aneurysmaclipping-Coiling

Verwandte Seiten